Wenn Leitbilder einen Schaden anrichten, ist zumeist mindestens eine von drei leider sehr häufigen Situationen eingetreten:
  1. Die Organisation hat sich für eine Vision entschieden, die diesen Namen nicht verdient, weil sie nur eine Aneinanderreihung allgemein gültiger Plattitüden darstellt (bestens geeignet für’s Bullshit Bingo) und keinerlei Strahlkraft hat. Sie wird dann einfach nicht ernst genommen oder noch nicht einmal wahrgenommen. Sie entfaltet keinerlei Wirkung und hat lediglich in der Entstehung und Kommunikation Kosten verursacht und Ressourcen gebunden. Dieser Fall ist noch am wenigsten schlimm.
  2. Das Unternehmen hat ein Leitbild entwickelt, das so fern der Realität und der bisherigen Firmenkultur ist, dass es für die Mitarbeiter ebenso wie für die bestehenden Kunden und Partner zur Lachnummer wird. Vielleicht gelingt es dem Unternehmen sogar, ein paar Außenstehende mit der Vision zu beeindrucken, aber das wiegt in keiner Weise die negativen Reaktion derjenigen auf, die den unüberwindbaren Graben zwischen Anspruch und Realität erkennen. Dies ist der zweit schlimmste Fall.
  3. Die schlimmste Möglichkeit ist diese: Die Vision ist durchaus für die Mitarbeiter attraktiv geraten, sie haben engagiert am Prozess der Leitbildentwicklung teilgenommen und sind bereit, an der Umsetzung zu arbeiten. Aber schon kurz nach der offiziellen Verkündung vergisst die Top-Führungsriege, was dort entwickelt und niedergeschrieben wurde, wendet sich anderen Themen zu und es finden keine erkennbaren Schritte in die ursprünglich angepeilte Richtung mehr statt. Der Frust aller, insbesondere aber der an der Entwicklung der Vision unmittelbar beteiligten Führungskräfte und Mitarbeiter (und das sind meist die Engagierteren) ist jetzt riesengroß. Die Arbeitsmotivation sinkt und damit wird dann auch die nächste vollmundige Ankündigung der Top-Ebene nicht mehr ernst genommen.
Und trotzdem: Ein in einem geeigneten Prozess entwickeltes, gut gelungenes Leitbild stellt einen riesigen Wettbewerbsvorteil dar, da es die gesamte Mannschaft dauerhaft zu Spitzenleistungen motiviert, wenn, ja wenn es nicht bei einer Eintagsfliege bleibt. Deshalb lohnt es sich bei der Entwicklung einer Unternehmens- oder Bereichsvision, es von Anfang an richtig zu machen, vor allem aber an die Schritte danach zu denken.